
Ein Spotlight beleuchtet zwei Quadratmeter der Bühne im Berliner Admiralspalast. Das Licht erstreckt sich zwischen den beiden Armen des hellen Winkels, die zusammen wie die Spitze einer Kuppel aussehen. Wolken aus Trockeneisnebel treiben aus der Dunkelheit in die Kuppel hinein und wieder heraus.
Unter ihm sitzt Danger Dan an einem schwarz-weiß gemusterten E-Piano mit nach hinten gekämmten Haaren, einem Fünf- bis Sieben-Tage-Bart und einer Bomberjacke. Als die Trockeneiswolken hinter ihm vorbeiziehen, sieht es so aus, als säße er nicht nur auf einem Holzsockel am Boden, sondern mehrere tausend Meter hoch in den Wolken.
Danger Dan singt „Run Away“, den ersten Track seines großartigen Albums „It’s All Covered by Art Freedom“. Der Song erzählt, wie jemand auf die Idee kommen kann, Musiker zu werden. Zum Beispiel, wenn er zunächst andere berufliche Perspektiven bei einer „Hip-Agentur“ hat, deren Chef „Ramones-Shirts“ trägt. Aber gerade als Danger Dan die „App-E-Mail“ senden will, hört er eine innere Stimme, die wie Lou Reed klingt. Er warnt Danger Day und sagt: “Lauf weg … und fang irgendwo neu an.”
Danger Dan singt mit festlichen Akkorden und das Publikum ist sofort begeistert. Auch Bundeskanzleramtschef Wolfgang Schmidt war anwesend. Schmidt ist bewegt von dem Gedicht, auch wenn nicht davon auszugehen ist, dass der Politiker die darin enthaltenen Forderungen bald selbst umsetzen wird. Schließlich hat man Schmidts Chef Olaf Scholz noch nie im Ramones-Trikot gesehen.
Danger Dan wiederum beobachtete, wie die Menschen im Jahr 2020 Toilettenartikel und Lebensmittel horten, als die Fälle zunahmen. Das Phänomen habe ihn auf die begeisterte Idee gebracht, für „das Ende der Quarantäne“ seinen gesamten Vorrat an Nudeln und Klopapier aufzugeben, da er so endlich „mit dir einen Frühlingsspaziergang durch den Berliner Zoo machen“ könne. Ein schönes Liebeslied mit diesen Zeilen wirkt gelinde gesagt befreiend im Admiralpalast. Die Menge jubelt, als hätten sie seit Jahrzehnten darauf gewartet.
“Ich bin Daniel”
Danger Dan nutzt diesen turbulenten Moment, um anzukündigen: „Einige von euch kennen mich von der Antelope Gang und als Danger Dan. Nun, neulich saß ich in einer Bar, als ein Bekannter von mir hereinkam und höflich quer durch den Laden rief: ‚Hey, Danger!’ Alle Gäste wandten sich sofort der vermeintlichen Gefahr zu. Also dachte ich, okay, mit 39 solltest du dich vielleicht nicht mehr ‚Danger‘ nennen. Also ich bin Daniel. Und diese Pose – der Mann am Klavier, der traurige Lieder singt – war nie mein Ding. Aber während der Pandemie saß ich zu Hause und hatte viel Zeit. Jetzt könnte ich üben, dachte ich, weniger Fehler auf der Antilopentour zu machen. Stattdessen fing ich an zu zögern und daraus entstanden diese Songs.”
Die temporären Ankündigungen von Daniel Pongratz sind ebenso gehaltvoll wie seine Songs. Viele Menschen in Deutschland, sagt er, wüßten nicht, was Nationalsozialismus war. Denn noch immer wird zu wenig über Deutschlands Vergangenheit gesprochen. Man könnte hinzufügen, dass einige nicht einmal wollen, dass Pongratz sich zu diesem oder benachbarten Themen äußert. Ein Beispiel dafür ist seine im ZDF ausgestrahlte Laudatio auf den Pianisten Igor Levit, in der Pongratz anschließend „AfD-Sympathisanten“ als „Vollidioten“ beschimpfte. Irgendjemand am Sender brachte Pongratz’ Worte zum Cut an “AfD-Sympathisanten” so gekonnt, dass der Cut nicht auffiel.
“Mit 39 solltest du wahrscheinlich nicht mehr ‘Danger’ heißen”: Daniel Pongratz alias Danger Dan
Quelle: JARO SUFFNER
Pongratz untersuchte, wie Songwriter damals mit dem Nationalsozialismus umgingen. Dabei stieß er unter anderem auf Hans Drachs Lied „Mein Vater wird gesucht“, für das Gerda Kolmey die Melodie komponierte. In dem Text erhält der Sohn die Nachricht, dass sein Vater sich angeblich das Leben genommen haben soll, nachdem er von der SA verhaftet worden war. Aber der Sohn weiß, dass SA ihn getötet hat. Für die Aufführung dieses Stückes lädt Pongratz ein Streichquartett auf die Bühne. Dann steht er vom Klavier auf.
Im Aufstehen denkt er an die Menschen, die bis letztes Jahr auf den Demonstrationen “Merkel muss weg!” gerufen haben. Was, fragt sich Pongratz, machen die Demonstranten jetzt, wo Merkel faktisch nicht mehr an der Macht ist? Sie gehen immer noch auf die Straße, berichtet Pongratz, aber jetzt schreien sie “Freiheit!”.
Pongratz beantwortet sie in seinem Konzert mit „Meine Freiheit“ von Georg Kreisler. Dichter und Sänger Kreisler hatte die Gabe, Reflexionen in Musik zu setzen, die auch Jahrzehnte nach ihrer Entstehung keine Patina entwickelte. Was auch an Sätzen wie diesen liegen mag: „Freiheit hat natürlich auch etwas mit Deutschland zu tun / solange man sich wirtschaftlich dazu beiträgt.“
Eine neue Art von Songwriter
Der reguläre Teil des Konzerts endet mit „Tesafilm“. Ein Chunk besteht aus einer Liste fehlgeschlagener Versuche, etwas zu reparieren. Der Clou ist, dass weitere Versuche „zumindest probiert“ werden können. Dazu gehört auch der künstlerische Ansatz von Danger Dan. Denn vieles hat seitdem funktioniert.
Unter anderem hat Daniel Pongratz alias Danger Dan ein massives Polit-Song-Comeback eingeläutet. Da hilft es, dass Pongratz so charmant und gelassen wirkt, dass seine Gesellschaftskritik immer treue Zuhörer findet. Er muss nicht etwas ermahnen, ermahnen oder verurteilen, wie es früher von einem Künstler erwartet wurde. Er fragt nicht, auf welcher Seite jemand steht. Und wenn.
Er singt und klingt nie, als würde er sich über irgendetwas beschweren. Schließlich muss er keine Witze erzählen, die erst dann ihren Zweck erfüllen, wenn sie einem im Hals stecken bleiben. Denn Pongratz ist ein politischer Sänger neuen Typs. Mit der Band Antelope, mit der er normalerweise zusammenarbeitet, wies er auf das Dilemma hin, dass man im Streit mit seinem entschlossenen politischen Gegner plötzlich feststellen sollte, dass er ihren Musikgeschmack teilt. Die Antilopen Gang hat dieses Problem vor einigen Jahren auf den Punkt gebracht: „Beate Zschäpe hört U 2“.
Eine weitere Schwierigkeit bei einem politischen Lied besteht darin, eines zu singen. Denn diejenigen, die darin kritisiert werden – ob sie nun Ken Jebsen, Götz Kubitschek, Jürgen Elsässer oder sonst was heißen – nutzen immer die Gelegenheit, sich als Abgelehnt zu spielen. Deshalb wollen sie sich einer Kritik mit rechtlichen und finanziellen Konsequenzen für den Kritiker verweigern.
Aber Pongratz ist schlau genug, bei der Zugabe “It’s all covered by the Freedom of Art” nur “völlig spekulativ” und Wort für Wort im Konjunktiv davon zu “singen”, dass man diesen Menschen als Antisemiten “findet” und so weiter Eidechse . Damit veranstaltete er im Admiralspalast das Konzert des Jahres.