Deutschland liefert Panzer an die Ukraine: Wie geht es jetzt weiter?

Waffenlieferungen
Deutschland liefert “Marder” an die Ukraine – Alles, was Sie über die Panzerwende des Kanzleramtes wissen müssen

Art des gepanzerten Personentransporters "Frettchen"

Schützenpanzer “Marder”.

© Philipp Schulze / DPA

Es ist ein Kurswechsel der Bundesregierung, manche sprechen sogar von einem Tabubruch: Deutschland liefert Schützenpanzer an die Ukraine. Damit ist die Debatte um Waffenlieferungen aber noch lange nicht beendet.

Wird Deutschland Kampfpanzer oder Schützenpanzer in die Ukraine schicken? Bundeskanzler Olaf Solz (SPD) wurde in den vergangenen Monaten nicht annähernd so oft gefragt. Nun gibt es zumindest eine Teilantwort: Im ersten Quartal sollen 40 Schützenpanzer vom Typ Marder in die Ukraine geliefert werden. Die Bedienung wird ukrainischen Soldaten in achtwöchigen Kursen in Deutschland beigebracht. Die Panzerlieferung ist Teil einer koordinierten Aktion mit den USA und Frankreich. Die NATO-Staaten kommen der Bitte der Ukraine nach vielen Monaten nach. Die eingegangenen Verpflichtungen wurden jedoch noch nicht vollständig erfüllt.

Warum hat Scholz die Entscheidung jetzt erst nach langem Zögern getroffen?

Deutschland und seine Nato-Verbündeten setzten nach dem russischen Angriff auf die Ukraine zunächst auf die Lieferung von Panzern und gepanzerten Fahrzeugen sowjetischer Bauart, über die einige osteuropäische Länder noch verfügten. Der Grund: Die Ukrainer brauchten keine zusätzliche Ausbildung, die Panzer waren sofort einsatzbereit. Nach Angaben der Bundesregierung stößt die Idee gerade an ihre Grenzen. Panzer sind zerstört, die Munition geht zur Neige. Zudem bestehe die Befürchtung, dass die Kämpfe im Frühjahr wieder zunehmen würden, sagte Regierungssprecher Stephen Hebstreit am Freitag. Seit einiger Zeit verlegt Russland zusätzliche Waffen in das Kriegsgebiet, was westliche Militärexperten als Vorbereitung auf eine neue russische Offensive sehen.

Was bringen Frettchen aus Deutschland den ukrainischen Streitkräften?

Obwohl Frettchen bereits vor mehr als 50 Jahren für die Bundeswehr entwickelt wurden, wurden sie immer wieder modernisiert und können in einer solchen Situation eine erhebliche Hilfe sein. An der Front machen sie die Truppen flexibler, indem sie den Transport von gepanzerten Soldaten ermöglichen. Gleichzeitig ist die Lieferung dieses westlichen Waffensystems eine Botschaft an die Truppe. Im Materialkampf gegen Russland signalisiert der Westen, dass wir es später können.

Wurde die Panzerentscheidung unter den Alliierten abgestimmt?

Scholz hat immer betont, dass Panzer es nicht alleine schaffen werden. Diesem Anspruch ist es gerecht geworden. Die Entscheidung wurde mehrere Wochen mit den USA und Frankreich vorbereitet und abgestimmt. Die Ankündigung war jedoch nicht besonders koordiniert. Der französische Präsident Emmanuel Macron hat am Mittwoch dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj die Lieferung schwer bewaffneter Aufklärungspanzer zugesagt. Nur einen Tag später gaben Scholz und Biden die Lieferung der Schützenpanzer Marder und Bradley bekannt. Regierungssprecher Hebestreit sieht darin kein Problem: Ob es zu einer stundenlangen Kommunikationslücke komme oder nicht, sei “letztlich Mumps”, sagt er.

Warum schickt Deutschland überhaupt Patriot-Flugabwehrraketen?

Diese Ankündigung überrascht. Nachdem die USA vor Weihnachten entschieden hatten, Patriot-Batterien für die Luftverteidigung bereitzustellen, sagte Deutschland zunächst: Wir haben nicht mehr die Kapazität. Jetzt kann die Bundeswehr noch auf eines der Systeme aus amerikanischer Produktion verzichten, obwohl sie selbst nur 12 der ursprünglich 36 zur Verfügung hat – und etwa die Hälfte davon in der Industrie zur technischen Aufrüstung. Luftwaffeninspekteur Ingo Gerhartz bezeichnet die Lieferung der Raketensysteme und die nun geplante schnelle Ausbildung der Ukrainer als notwendige “Übung” für die Truppe: “Aber in diesen besonderen Momenten muss es sein.”

Wird Deutschland mit den neuen Verpflichtungen zur Kriegspartei?

Politiker der Laternenkoalition weisen immer wieder darauf hin, dass Deutschland und andere Verbündete völkerrechtlich nicht durch Waffenlieferungen zum Kriegsgegner werden. Oberstes Ziel von Bundeskanzler Scholz ist es, nicht in den Krieg hineingezogen zu werden. Moskau hingegen behauptet seit Monaten, die Nato sei bereits eine Kriegspartei in der Ukraine. Diese Aussage dient einerseits innenpolitischen Zwecken, um der eigenen Bevölkerung die Verheerungen des russischen Einmarsches in die Ukraine zu erklären, anderseits schwingt darin außenpolitisch die Drohung mit, dass der Konflikt eskalieren wird, wenn ” rote Linien“ überschritten werden. Allerdings haben sich die „roten Linien“ bereits mehrfach verschoben.

Wie reagiert Russland auf das Versprechen von Panzern in der Ukraine?

Der Kreml selbst reagierte zunächst nicht. Das hing wohl auch damit zusammen, dass Russland orthodoxe Weihnachten feiern würde. Daher wurde das tägliche Briefing von Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Freitag nicht gegeben. Aber die russische Botschaft in Berlin sagte, Deutschland überschreite mit den Marder-Überstellungen eine moralische Grenze, auf die es angesichts der Verbrechen der Nationalsozialisten kein Recht habe.

Werden die Tanks bald geliefert?

Moderne westliche Kampfpanzer sind viel besser bewaffnet und besser vor Angriffen geschützt als die Infanterie-Kampffahrzeuge Marder und Bradley. Sie können es verwenden, um direkt mit russischen Hauptpanzern in Konflikt zu treten (“Duellfähigkeit”). Daher hofft die Ukraine, dass die NATO-Staaten ihre Offensivfähigkeiten mit den Panzern Leopard (Deutschland), M1 Abrams (USA) und Leclerc (Frankreich) stärken werden. Es ist eine politische Entscheidung, die auch davon abhängt, dass Deutschland grünes Licht bekommt. Einige Nationen wie Finnland und Spanien haben noch ältere Modelle wie den Leopard 2A4. Es gibt bereits vereinzelte Hinweise darauf, dass sich diese Staaten einer gemeinsamen Initiative mit Deutschland anschließen könnten.

Was will die Ukraine sonst noch von ihren Verbündeten?

Der stellvertretende ukrainische Außenminister und ehemalige Botschafter in Deutschland, Andriy Melnyk, hat wiederholt die Lieferung von Kampfflugzeugen oder Kriegsschiffen an die Ukraine gefordert. Der Politologe Carlo Masala von der Universität der Bundeswehr in München hält zumindest Kampfjets vom Typ MiG-29 sowjetischer Bauart für sinnvoll. “Das ist genau das Gerät, das die Ukraine in dieser Phase des Krieges dringend braucht.” Bei Schiffen hingegen ist ein schneller Nutzen schwer auszumachen. Was sich bereits bewährt hat: Raketen oder schwimmende Drohnen, die russische Schiffe vor der Schwarzmeerküste der Ukraine zerstören können.

Michael Fischer, Carsten Hoffmann, André Ballin / kng
DPA

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