Für Aktionäre war 2022 ein Jahr zum Vergessen – Wirtschaft

Der BZ-Börsenbericht zum Jahresende

Sabine Roßing

2022 war für viele Aktionäre ein schlechtes Jahr. Angesichts der spektakulären geopolitischen Ereignisse gingen Prognosen oft ins Leere. Für 2023 überwiegt jedoch vorsichtiger Optimismus.

Ein Jahr zum Vergessen, so die frustrierten Wirtschaftsexperten der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW): „Krieg in Europa, steigende Inflation, sinkende Kaufkraft wie seit Jahrzehnten nicht mehr.“ Die meisten Analysten aller Branchen erwarteten, dass 2022 ein „Jahr der Erholung nach der Pandemie“ sein würde. Stattdessen breitet sich in diesen Tagen die Angst vor dem Crash in der Mitte der Gesellschaft aus, so Gertrud Traud, Chefvolkswirtin der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba).

“Das Verbrauchervertrauen hat Monat für Monat neue Rückgänge erlebt.” LBBW

Zum Jahresende ist die Stimmung bei Verbrauchern und vielen Unternehmen gedrückt. Laut LBBW sinkt das Verbrauchervertrauen Monat für Monat. Dass eine Rezession bevorsteht, gilt als sicher, auch vor dem Hintergrund der weiterhin knappen Energieressourcen. Experten rechnen schließlich nicht mit einem Massenunfall. Der Rückgang werde moderat ausfallen, prognostiziert KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Keller-Geib.

„Tatsächlich hatten wir 2021 aufgrund der expansiven Geldpolitik der Notenbanken bis Anfang 2022 und aufgrund der Auswirkungen des Corona-Nachfrageschubs bereits Tendenzen zu höheren Inflationsraten“, relativiert der Chefanalyst der Commerzbank , Torsten Wijnelt. Störungsanfällige Lieferketten haben gleichzeitig zu Lieferengpässen und Preissteigerungen geführt.

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Von einer Entwarnung für Zinserhöhungen sind die europäischen Notenbanker jedenfalls weit entfernt. „Auch wenn die Inflationsraten in den kommenden Monaten sinken, werden sie bis mindestens 2025 deutlich über dem bisherigen Niveau bleiben“, prognostiziert die Deutsche Bundesbank. Im Durchschnitt rechnet sie für 2023 mit einem Preisanstieg von sieben Prozent.

“Letztendlich sollten wir einen Einlagensatz von 3,25 Prozent und in den Vereinigten Staaten einen Federal Funds Rate von 5,25 Prozent sehen.” Torsten Wijnelt, Commerzbank

Traud erwartet einen Zielkonflikt mit europäischen Regierungen, die versuchen, die negativen Auswirkungen der hohen Inflation auf die Realeinkommen auszugleichen – sei es durch Preisobergrenzen, Direktzahlungen oder niedrigere Verbrauchssteuern. Ökonomen befürchten, dass sich der Anstieg der Energiepreise auf die restlichen Waren im Warenkorb auswirkt. Bis zum Ende des ersten Quartals solle aber auch in Europa das Ende der Zinserhöhungen prognostiziert werden, sagt Weinelt, “in den USA wohl etwas früher”. Die Europäische Zentralbank (EZB) wird voraussichtlich zwei weitere Zinserhöhungen um 50 Basispunkte und eine weitere um 25 Basispunkte vornehmen. “Letztendlich sollten wir einen Einlagensatz von 3,25 Prozent und in den Vereinigten Staaten einen Federal Funds Rate von 5,25 Prozent sehen.”

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Die konjunkturelle Skepsis belastet derzeit die Aktienkurse. Die wichtigsten Indizes sind im Jahr 2022 zeitweise um mehr als 20 Prozent gefallen. Zum Jahresende blitzte der Dax auf 14.000 Punkte auf. Ende letzten Jahres erreichte er mit über 16.200 Punkten neue Höchststände; Marktexperten vergeben sogar bis zu 18.000 Punkte.

Die Auswirkungen von Rezession, steigenden Zinsen und Inflation werden 2023 stärker in den Unternehmensbilanzen sichtbar, warnt LBBW-Chefvolkswirt Moritz Cramer. Ein Anstieg der Kreditausfallquoten wird laut Helaba zu einem starken Anstieg der Risikoprämien führen. Branchenbeobachter befürchten, dass die Zahl der Insolvenzen und Firmenschließungen zunehmen wird, da viele Geschäftsmodelle aufgrund hoher Energiepreise nicht mehr tragfähig sind.

Porsche-Besitzer bewiesen dagegen Mut. Trotz eines äußerst schwierigen Marktumfelds haben sie das Unternehmen an die Börse gebracht und waren erfolgreich. Im November kletterte der Börsenneuling sogar auf den Leitindex Dax.

„Die Zinsen sind zurück und mit ihnen der klassische Konjunkturzyklus. Michael Herzum, Union Investments

Die Rentenmärkte profitieren von den aktuellen Zinserhöhungen. Michael Herzum, Leiter Makro und Strategie bei Union Investment, sagt: „Die Zinsen sind zurück und mit ihnen der klassische Konjunkturzyklus.“ Für Privatanleger bedeutet das „mehr Volatilität bei vielen Aktien, aber auch stabile Renditen für Anlagen mit überschaubarem Risiko“. Weinelt betont: „Anleger im Euroraum erhalten derzeit Renditen von 4 bis 4,5 Prozent auf Unternehmensanleihen, selbst bei guter Bonität.“ Das ist der beste Wert seit über zehn Jahren.

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Die Substanz oder der Wert der Aktie, die in den letzten Jahren oft unter Wert gehandelt wurde, dürfte sich gut entwickeln. Es bedeutet Anteile an soliden Unternehmen ohne spektakuläre Wachstumsphantasien. Ein klassisches Beispiel sind Konsumgüterkonzerne wie Nestlé, Coca-Cola oder Unilever. Auch Infrastrukturaktien haben gute Aussichten.

Die grüne Transformation wird auch von erheblichen Finanzierungen in Europa begleitet. „Gewinne und Margen sollten zunächst sinken“, ist Weinelt überzeugt. „Allerdings dürfte der Dax Ende 2023 höher stehen als jetzt.“ Der Kryptohandel hingegen dürfte die Folgen der spektakulären Pleite der Handelsplattform FTX nicht so schnell verdauen.

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