
Glauben Sie wirklich, dass Sie mit solch drastischen Maßnahmen die Menschen erreichen können?
Alle anderen Möglichkeiten sind ausgeschöpft. Wir haben in den letzten Jahren viel ausprobiert. Am „Friday for the future“ waren wir mit 1,4 Millionen Menschen auf der Straße, sind ins Parlament gegangen und haben protestiert. Und all das führte letztlich zu einem verfassungswidrigen Klimaschutzpaket. Wir müssen in den nächsten zwei bis drei Jahren handeln und wir wollen Druck auf die Politik ausüben, indem wir ständig den Alltag stören.
Aber glauben Sie, dass es die Politik beeinflussen kann?
Ziel ist es zunächst, dass die Bundesregierung einfache und schnell umsetzbare Sicherheitsmaßnahmen wie die Einführung von Tempolimits und die Fortführung des 9-Euro-Tickets beschließt. Eines ist ganz klar: Wir sind nicht erfolgreich, wenn wir eine Debatte anzetteln oder in den Medien präsent sind. Wir sind nur dann erfolgreich, wenn wir es schaffen, dass unser Klima nicht komplett umschlägt. Unsere Lebensgrundlage, unser Planet, wird also nicht komplett zerstört. Und im Moment sieht es so aus, als wäre genau das passiert.
Negative Kritik überwiegt jedoch Ihr Handeln in der Außenwahrnehmung. Viele Leute denken, dass solcher Aktivismus nutzlos ist.
Was wir in den letzten Monaten erreicht haben, ist der erste Schritt. Mit unserer Aktion „Lebensmittel retten, Leben retten“ haben wir eine bundesweite Debatte zum Lebensmittelerhaltungsgesetz ermöglicht. Seit Jahren gelingt es uns, diese Themen an der Spitze der Politik und in der Bundesregierung zu diskutieren – deutschlandweit. Das ermutigt uns ungemein. Gleichzeitig ist es frustrierend, wie rücksichtslos unsere Zukunft zerstört wird. Ich bin 24 Jahre alt und weiß, dass es mit 40 oder 50 Jahren nicht mehr sicher ist, dass ich aus unseren Grundwasservorkommen in Deutschland ausreichend Trinkwasser bekomme.
Wäre es nicht besser, die Menschen für den Klimaschutz zu vereinen? Verursachen Straßensperren nicht genau das Gegenteil?
Der Druck unseres Handelns bereitet vielen Menschen Unbehagen. Aber die Popularität einer Bewegung war in der Vergangenheit wenig ausschlaggebend dafür, wie erfolgreich sie war.
Deshalb nehmen sie die Wut des Fahrers hin.
Ich kann die Wut der Leute total verstehen. Niemand steht gerne im Stau. Ebenso unwohl fühlen wir uns in der Situation, wenn wir auf der Straße sitzen. Das macht niemand gerne. Es zeigt die unglaubliche Verzweiflung, mit der wir uns entscheiden, in diese Situation zu gehen. Wir sehen aber auch, dass wir mehr Zuspruch bekommen. Die Menschen in Deutschland wissen eigentlich, dass wir uns in einer Krisensituation befinden. Schließlich wollen wir auf einem Planeten leben, auf dem wir in den nächsten 20 bis 30 Jahren nicht um Nahrung kämpfen müssen. Wir sind uns sicher: Im tiefsten Inneren würden sich auch die Menschen im Stau für Menschlichkeit entscheiden, um ihre Familien über Jahre hinweg ernähren zu können. Das Problem ist aber, dass alles ins Stocken geraten ist, weil die Bundesregierung nicht entsprechend gehandelt hat. Stattdessen werden Maßnahmen an Einzelpersonen weitergegeben, nach dem Motto: “Jetzt muss ich kälter duschen.”