
Eines der seltensten Materialien der Welt entstand in geschmolzenem Dünensand, der durch eine elektrische Entladung auf über 1700 Grad Celsius erhitzt wurde. Dabei entstand ein Quasikristall – ein Stoff, in dem die Atome einem Ordnungsprinzip wie in einem Kristall gehorchen, sich aber nicht strikt wiederholen. Es gibt weltweit nur eine Handvoll natürlich vorkommender oder zumindest nicht im Labor hergestellter Beispiele für solche Quasikristalle. Wie eine Arbeitsgruppe um den Geowissenschaftler Luca Bindi von der Università di Firenze berichtet, hat sie nun in einer als Nebraska Sandhills bekannten Region in den USA ein weiteres Exemplar dieser exotischen Stoffklasse entdeckt. Laut ihrer Veröffentlichung in der Fachzeitschrift »PNAS« entstand das nur wenige Mikrometer große Stück in der Wand aus Fulgurit – einer Röhre aus zusammengebackenem und geschmolzenem Sand, die durch extrem starke Strömungen wie einen Blitzeinschlag erzeugt wird.
Während normale Kristalle aus Atomgruppen bestehen, die beliebig aneinandergereiht werden können, sind die Atomgruppen im Quasikristall zwar geordnet wie in einem Kristall, können sich aber aufgrund ihrer besonderen Symmetrieeigenschaften nicht so regelmäßig anordnen. Quasi-Kristalle sind deshalb so selten, weil Atome sich lieber in Form von „echten“ Kristallen anordnen – oder sich einfach nicht an eine bestimmte Ordnung halten, wie im Glas. Nur unter besonderen Umständen, etwa extremen Druck- oder Temperaturbedingungen, bilden sich die Strukturen der Quasikristalle, die zwar regelmäßig, aber nicht über weite Strecken geordnet sind. Eines dieser exotischen Mineralien wurde beispielsweise in einem Meteoriten gefunden, ein anderes ist bei einer Atomexplosion entstanden.
Der von Bindi und seinem Team aufgespürte Quasi-Kristall ist jedoch selbst unter seinesgleichen ein Exot. Die meisten der bisher bekannten Quasikristalle haben eine fünfzählige Symmetrie, während die in der Düne gefundene Substanz mit der Summenformel Mn72.3Jawohl15.6Kr9.7Zu1.8nein0,6 hat eine ungewöhnliche zwölfzählige Symmetrie. Auch seine chemische Zusammensetzung deutet darauf hin, dass sein Ursprung nicht ganz natürlich ist. Bindis Team berichtet, dass der geschmolzene Sand Spuren von Metall enthält. Dies stammt von einer nahe gelegenen Stromleitung, die wahrscheinlich im selben Sturm zerstört wurde, der die Düne traf. Die im Quasikristall enthaltenen Metalle Mangan, Chrom, Aluminium und Nickel stammen wahrscheinlich aus einem geschmolzenen Bruchstück des Stromleiters. Lediglich Silizium stammt aus dem Quarz der Sandkörner. Tatsächlich kann die Arbeitsgruppe nicht mit Sicherheit sagen, ob tatsächlich ein Blitz die Schmelzröhre im Sand erzeugt hat – oder ob die Stromleitung selbst die Entladung ausgelöst hat.