
HDie Künste der Zeit erfordern süße Maßnahmen. So erklärt sich zumindest Carsten Bernoth den jüngsten Erfolg seines Unternehmens. Bernoth ist Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Süßwarenindustrie (BDSI).
Ihre Klassiker verkaufen sich so gut wie lange nicht mehr – in Krisenzeiten, in denen die Verbraucher eigentlich jeden Cent umdrehen. Das sind die beliebten Weihnachtsmänner und Schokoladenweihnachtsmänner. Insgesamt 169 Millionen solcher Hohlfiguren haben deutsche Hersteller in diesem Jahr produziert.
Das sind sechs Prozent mehr als im Vorjahr. „In schwierigen und unsicheren politischen Zeiten zeigt sich, dass das Konditorenbacken zu den kleinen Freuden des Alltags gehört“, sagt Bernoth. Und das, obwohl die Preise in den Supermärkten zuletzt deutlich gestiegen sind. Im Oktober kostete eine Tafel Schokolade mindestens zwölf Prozent mehr als im Vorjahresmonat.
Doch die Corona-Krise hat die süße Masse vielen besonders schmackhaft gemacht, sagen Analysten des Marktforschungsunternehmens Mintel. Einerseits gab Schokolade den Menschen die Möglichkeit, sich zu Hause etwas zu gönnen.
Andererseits wächst das Interesse am Stressabbau, wie aus dem aktuellen Marktbericht des Unternehmens hervorgeht. Darauf deuten auch die aktuellen Zahlen hin: Rund 1,1 Millionen Tonnen Schokoladenerzeugnisse wurden 2021 in Deutschland für den Verkauf produziert, erklärt das Statistische Bundesamt.
Im Vergleich zu 2019, vor dem Coronavirus, waren es sechs Prozent mehr. Im Jahr 2021 wurden rechnerisch 12,9 Kilogramm Schokolade pro Kopf produziert. Das entspricht ungefähr zweieinhalb Schlägen pro Woche.
Im Gegensatz zu anderen Corona-Auswirkungen dürfte der Trend zu mehr Schokolade anhalten, prognostizieren Experten. Der globale Markt wird weiter wachsen – laut der Analyse des Unternehmens „Markets and Markets“ zwischen 2022 und 2027 um durchschnittlich fünf Prozent pro Jahr.
Nur wenige geben wegen höherer Preise auf
Laut Mintel-Analyst Richard Caines wird das Wachstum durch den Verlust von Verbrauchereinkommen und die zunehmende Regulierung von Junk Food gebremst. Aber: “Essen zu Hause und Geschenke werden den Verkauf in der Kostenkrise stützen.” Schließlich würden acht von zehn Verbrauchern Schokolade weiterhin als bezahlbaren Genuss ansehen – trotz Inflation.
Hersteller freuen sich darüber, wie Dirk Van de Put, Chef der Mondelez-Gruppe. Das Unternehmen besitzt Marken wie Milka, Marabou und Toblerone. Van de Put kommentierte die jüngsten Quartalsergebnisse, dass die Zahl derjenigen, die aufgrund höherer Preise für Feinschmecker abgesprungen seien, unter den Erwartungen liege.
„Wir sehen, dass Verbraucher sagen, dass Schokolade wirklich etwas ist, ohne das sie nicht leben können.“ Auch die Hersteller haben von der Markentreue ihrer Kunden profitiert. Im Vergleich zu anderen Produkten wechselten die Verbraucher viel seltener zu den günstigeren Eigenmarken der Händler.
“Dankbarkeit drückt sich darin aus, dass es in der Kantine nicht nur Currywurst gibt”
In Kitas und Mensen soll es nach dem Willen der Bundesregierung mehr Bio-Lebensmittel und weniger Zucker geben. In Berlin verabschiedete die Regierung den Eckpfeiler von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) zur Ernährungsstrategie. Streben Sie gesündere Mahlzeiten in Fabriken und Krankenhäusern an.
Das verleitet die Branche zu neuen Investitionen: Der Schweizer Konzern Barry Callebaut investiert derzeit 50 Millionen Franken in eine neue Fabrik in Indien, weitere 100 Millionen US-Dollar fliessen in den Ausbau der kanadischen Fabrik.
Ein Grund dafür: Die Amerikaner suchen zunehmend nach Schokoladenstückchen in Eiscreme oder Keksen, die von Barry Callebaut geliefert werden. Die Schweizer haben keine eigene Marke mehr. Ihre Produkte finden sich jedoch in den Produkten zahlreicher anderer Unternehmen wieder.
Aus Sicht von Menschenrechtsorganisationen hat die Beliebtheit von Schokolade negative Seiten. Sie beklagen vor allem die starke Marktkonzentration internationaler Konzerne. Und das auf Kosten der Kakaoproduzenten im Süden, so das Inkota-Netzwerk, eine Non-Profit-Organisation.
Schokolade ohne Kinderarbeit
Laut ihrem jetzt veröffentlichten Cocoa Barometer, das die Nachhaltigkeitsbemühungen des Sektors zeigt, handelt jedes der vier führenden Unternehmen so viel oder sogar mehr Kakao, als in ganz Ghana angebaut wird. Das westafrikanische Land ist nach der Elfenbeinküste der zweitgrößte Produzent der Welt und produziert jährlich fast eine Million Tonnen Kakao.
Das senkt die Preise: Kleine Besitzer verdienen nur sechs bis sieben Cent an einer Tafel Schokolade. Um Kinderarbeit zu verhindern, müssten es aber mindestens 20 Cent sein, behauptet der Sender.
Er bekam Zugeständnisse von großen Produzenten. Lindt & Sprüngli erklärt zum Beispiel, dass der Kampf gegen Kinderarbeit höchste Priorität hat. Daher hat das Unternehmen klare Richtlinien für Kakaolieferanten eingeführt, wie es im Nachhaltigkeitsbericht heißt.
Darüber hinaus wurde das Unternehmen offizielles Mitglied der Initiative für Kinderrechte und Bildung. Auch Konkurrenten wie Barry Callebaut, Mondelez und Ferrero gehören dazu.
Kritik an den Produktionsbedingungen kann dem Erfolg der Schoko-Weihnachtsmänner offenbar nichts anhaben – die Verbraucher kaufen sie weiterhin fleißig ein.
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