
Köln (dpa) – Der Energiepreisschock und die unsichere geopolitische Lage vermiesen den deutschen Unternehmen zum Jahresende die Stimmung. Laut einer Umfrage herrscht nun vielerorts Unsicherheit statt Optimismus wie vor einem Jahr. Zahlreiche Branchen bereiten sich auf schwierige Monate vor. „Ich glaube nicht, dass man sagen kann, dass die Rezession abgesagt wurde. Sie wird aber voraussichtlich schwächer ausfallen als zunächst befürchtet“, sagte Michael Hutter, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) der Deutschen Presse-Agentur.
In der IW-Umfrage bewerteten 39 von 49 Wirtschaftsverbänden die aktuelle Lage schlechter als vor einem Jahr. Die Mehrheit rechnet auch mit schlechteren Geschäften für die Mitgliedsunternehmen. Fazit: Nach Einschätzung von EY dürften viele der 100 umsatzstärksten börsennotierten deutschen Unternehmen mit einem Gewinn- und Umsatzpolster ins nächste Jahr starten.
Nicht sicher über das neue Jahr
Vor einem Jahr hätten viele Unternehmen gedacht, die turbulentesten Zeiten seien vorbei, erklärte IW. Russlands Angriffskrieg in der Ukraine veränderte die Situation. „Die negativen Einschätzungen der Lage haben ein fast historisches Niveau erreicht“, sagte Hüther. Viele Branchen gingen verunsichert ins neue Jahr. “Unternehmen fragen sich, ob die Energiepreisbremse greift und wie es geopolitisch weitergeht.” Die Leichtsinnigkeit der Energieversorgung ist der Hauptfaktor der Unsicherheit.”
Laut Umfrage erwarten 30 Fachverbände von ihren Mitgliedern im kommenden Jahr weniger Geschäfte. „Die Unternehmen gehen nicht davon aus, dass die hohen Energiepreise in absehbarer Zeit wieder sinken werden. Das trübt die Aussichten für das kommende Jahr enorm“, erklärt IW-Konjunkturexperte Michael Gremling.
Besonders schlecht ist die Stimmung in Branchen, die besonders viel Energie für ihre Produktion benötigen. So erwartet die Chemieindustrie 2023 deutlich weniger zu produzieren. Auch Handwerker, die Bauwirtschaft, ein Teil des Finanzsektors und die Immobilienwirtschaft rechnen mit einer Verschlechterung der Lage. Sie erwarten aufgrund des steigenden Bauinteresses ein Ende des langen Immobilienbooms.
Hüther macht sich Sorgen um Investitionen
Lediglich 13 Verbände zeigten sich bei der Umfrage optimistisch, darunter die Messe- und Werbewirtschaft. Sie hofft, dass die Ausfälle in Corona kompensiert werden. Auch der Tourismus geht von einem Rebound-Effekt nach dem Fall der Corona-Krise aus. Die anderen Verbände gehen davon aus, dass das Ergebnis des Vorjahres 2023 gehalten werden kann. Dazu gehört die Investmentbranche.
Sorgen bereitet Hüther die Erwartungen bezüglich Investitionen. „Das Ergebnis ist schlechter als während der Corona-Pandemie.“ 17 Branchen rechnen mit einem Rückgang. 22 Verbände, vor allem im Dienstleistungsbereich, gehen von gleich bleibenden Investitionen aus, acht von steigenden Ausgaben.
Auch Henrik Ahlers, CEO des Prüfungs- und Beratungsunternehmens EY Deutschland, rechnet für 2023 mit einer sinkenden Investitionsbereitschaft: „Sowohl Bürger als auch Unternehmen werden den Gürtel enger schnallen müssen.“ Das Rating hingegen sei „brav geschlagen“.
Der Arbeitsmarkt als Stabilitätsanker
Fast alle (93 Prozent) der Top 100 verzeichneten in den ersten drei Quartalen 2022 ein Umsatzwachstum im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Der Gesamtumsatz stieg um 30 Prozent auf 1,78 Billionen Euro. Ohne die Milliardenverluste des angeschlagenen Energiekonzerns Uniper, der größtenteils verstaatlicht werden soll, wäre das operative Ergebnis (EBIT) der Unternehmen um 22 Prozent auf 145 Milliarden Euro gestiegen. Das waren die höchsten absoluten Werte seit der ersten Bewertung vor fünf Jahren.
Der Arbeitsmarkt erweist sich laut Hüther als Stabilitätsanker. 23 Verbände erwarten hier eine stabile Entwicklung. Weitere 16 rechnen mit weniger Personal in ihren Mitgliedsunternehmen, darunter Banken und Sparkassen sowie die Landwirtschaft. Einige Branchen erwarten zudem aufgrund des Fachkräftemangels weniger Beschäftigte. Neun Sektoren der Wirtschaft wollen die Beschäftigung erhöhen, darunter das Gastgewerbe und der Tourismus.
IW hat von Mitte November bis Anfang Dezember 49 Wirtschaftsverbände befragt, und nicht jeder Verband hat alle Fragen beantwortet.